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7. Aufgabe

Im folgenden Text werden die ziemlich kritischen Ansichten eines Medienforschers über Gefahren des Internets wiedergeben. Unterstreichen Sie seine wichtigsten Thesen. Studieren und interpretieren Sie seine Argumentation und formulieren Sie Ihre Meinung zu den angesprochenen Fragen.

Lernforum Deutsch: Thema „Computer und Internet”

„Was mich am meisten am Internet fasziniert, ist seine Fähigkeit zur Mythologie.“
Der  Medienforscher Juan Luis Cebrian hat im Frühjahr 1998 aus Anlaß der Veröffentlichung seines Buches „La Red“ (Das Netz) der spanischen Tageszeitung EL PAÍS ein Interview gegeben und dabei seine Meinung mit dem Satz „Was mich am meisten am Internet fasziniert, ist seine Fähigkeit zur Mythologie“auf den Punkt gebracht.  Er meint also, daß sich um das Internet Legenden und märchenhafte Geschichten ranken.  Demzufolge sei es nötig,  die neuen Medien kritisch zu beleuchten. Für die Diskussion des Themas werden nachfolgend einige seiner Überlegungen zusammengestellt.

Kein kritisches Bewußtsein

Es wird zunehmend beklagt, daß zahlreiche englische Wörter aus dem Fachjargon der Informationstechnik in unsere Sprache drängen und unkritisch übernommen werden.  Das ist nur möglich, weil  gegenüber den kommunikationstechnologischen Neuerungen und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft ein kritisches Bewußtsein weitgehend fehlt.

Werteverlust und Desorientierung der Menschen

Man kann beobachten, daß in der Gesellschaft eine Enthierarchisierung von Werten stattfindet, eine Neustrukturierung des Wissens und der sozialen Organisation, ein Wandel, der sich auf Arbeitswelt, Schule, Kultur, Handel und Wirtschaft erstreckt. Die Infragestellung der gewohnten Wertepyramide mit ihrem hierarchischen Aufbau ruft ein erhebliches Maß an Desorientierung hervor, und es werden Ängste wach, weil die Menschen den Verlust von Orientierungshilfen befürchten, die sie gerade im Prozeß des sozialen Wandels benötigen.
Ein Beispiel für solche Ängste ist die Weigerung von Menschen, sich der neuen Medien zu bedienen oder sich um ihre Beherrschung zu bemühen, indem sie Medienkompetenz erwerben. Als Beispiel für den Verlust von Werten ist die unreflektierte Preisgabe der Privat-und Intimsphäre durch ihre hemmungslose Veröffentlichung und Ausbeutung im Netz anzuführen. Warum geben Menschen in den elektronischen Netzen ihr Privat- und Intimleben preis, nur weil bestimmte neue Technologien vorhanden sind, mit denen man den Schutz der Privatspähre leicht überwinden kann? Und wie steht es mit dem Schutz des geistigen Eigentums?

Mehr Freiheit durch mehr Information?

Bei der Werbung um informationstechnische Neuerungen geht man normalerweise davon aus, daß die Menschen in der zukünftigen Informationsgesellschaft besser informiert sind als heute und damit mehr Freiheit haben werden.  Man sollte aber folgendes bedenken:  Die enorme Menge an allgemein zur Verfügung stehender Information ist bereits ein Problem für sich. Eine ungeordnete Menge an Information wird nur dann wertvoll, wenn man zielgerichtet auswählen, unterscheiden, verstehen und einordnen kann. Man muß das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden können, die Wahrheit von der Lüge.
Der Bürger wird durch seinen immer breiteren Zugang zu Infomationen  freier, aber mit zunehmender Freiheit geht auch eine stärkere Bedrohung dieser Freiheit einher. Von den Informationsnetzen geht die Gefahr einer Fremdbestimmung aus, die den Menschen immer mehr mehr zum Sklaven werden läßt.
Nach Cebrians Auffassung ist es ein Mythos zu glauben, mit den immer größer werdenden Wahlmöglichkeiten ginge ein Zuwachs an Freiheit einher. Jede Auswahl impliziert zugleich das Zurückweisen bestimmter Informationen. Ganz offenbar ist die Freiheit, eine Auswahl treffen zu können, ein wichtiger Bestandteil unserer individuellen Freiheit. Im alltäglichen Leben jedoch wollen die Menschen nicht fortwährend auswählen und dabei gleichzeitig etwas zurückweisen, denn das würde sie überfordern und im Kommunikationsverhalten einschränken. Durch das Übermaß an Auswahlentscheidungen, die dem Nutzer im Internet abverlangt werden, kommt es gerade zu einer solchen einengende Bedrängung und Einschränkung im Kommunikationshandeln. Bei dem Versuch, alles zu erfassen, bekommt und versteht man im Grunde gar nichts. Es ist wie beim Zappen am Fernsehschirm mit dem bekannten Ergebnis: „Wer alles zugleich sehen will, sieht insgesamt nichts.“

Ordnung und Chaos

Durch neue Strukturen im  Internet ist die Frage nach Ordnung und Chaos erneut aufgeworfen worden. Das Bild vom Internet-Chaos wird durch das Fehlen von Kriterien und durch den Verlust von Hierarchien und Autoritäten und durch ihr scheinbares Nichtvorhandensein begründet. Jedenfalls sind die Autoritäten in der Regel nicht sichtbar. Dennoch sind sie vorhanden, und zwar als versteckte Autoritäten: ‚Gatekeepers’, die Herren der Server, die Technologieentwickler und die Softwarehäuser.
Microsoft, ist zum Beispiel eine ebenso universelle Autorität wie der Papst, und auch Netscape schneidet nicht gar so schlecht ab. Da es keine sichtbare Autorität gibt bzw. jede Autorität zurückgeht, verschwinden die klassischen Hierarchisierungen und es entsteht ein gewisses Maß an Chaos.Cebrian definiert den Begriff des Chaos allerdings immer im Hinblick auf den Begriff der Ordnung. Er sagt: „Eine Sache ist chaotisch, wenn sie mit dem gültigen Ordnungskonzept nicht mehr übereinstimmt.“ Das Chaos bildet somit eigentlich einen Teil der universellen Ordnung. Cebrian meint, wenn es gelänge, Elemente des Chaotischen in der Gesellschaft in die bestehenden Ordnungen zu integrieren, dann handele es sich um einen positiven Aspekt des Chaos. Aber das Chaos als Auflösung jeglicher Ordnung, jeglicher Wertesysteme, die der Mensch benötigt, um auf die eine oder andere Weise die Gesellschaft zu verstehen und zu steuern, sieht er als ein negatives Chaos an. Dieses Chaos sei vor allem unwahrhaftig, denn die Mythen des Internets und der neuen Medien stimmten mit unserer wirklichen Lebenswelt nicht überein.

Internet und Demokratie?

Die Entwicklung des politischen Systems tendiert von der repräsentativen Demokratie hin zur demokratischen Urform von Athen, der direkten Demokratie, denn die neuen Kommunikationstechniken erlauben immer universelleren Zugang zu den Informationen sowie immer direktere Wege des Informationsaustausches, z. B. zwischen Regierungen und Regierten. Bald werden Abstimmungen und sogar Wahlen über das Internet möglich sein. Das dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. In dem Maße, wie ein Teil unseres alltäglichen Lebens immer mehr im Internet stattfindet, werden auch Abstimmungen im Netz zur alltäglichen Gewohnheit werden.

Neue Beziehungen durch Dialog „Mensch – Maschine“

In sozialer und kultureller Hinsicht wird die Konvergenz von Fernseher und Computer zu den schnellsten und erstaunlichsten Veränderungen führen. Es wird zur Herausbildung neuer Beziehungen zwischen Menschen kommen, zu Beziehungen, die ausschließlich über das Netz vermittelt sind und nicht mehr durch das ganz konkrete Zusammentreffen von Menschen im direkten körperlichen Kontakt bestimmt sind. Die Faszination des Netzes wird für manche Menschen zu autistischem Verhalten führen, was ja bereits durch das Fernsehen genügend geschieht.
Cebrian hat am Ende seines Interviews der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die zunehmenden Dialoge zwischen Mensch und Maschine wenigstens auch verstärkt zur Lektüre eines Buches führen könnten.
Copyright ©1997 g. miklitz, E-Mail:  gmiklitz@uni-bonn.de
(Miklitz,
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