3. Aufgabe
Lesen Sie den wissenschaftlichen
Textausschnitt von Karl Reitter aus einer Online-Zeitschrift über die 68er
Bewegung in Österreich und unterstreichen Sie die wichtigsten
Merkmale/Orte/Organisationen der 68er Bewegung in Österreich.
[…] Österreich
Österreich unterschied sich von Frankreich und Deutschland durch
die fehlende politische Zuspitzung, von Italien hinsichtlich der fehlenden
Breite der Bewegung. 1970 kam mit Kreisky erstmals die SPÖ an die
Alleinregierung, und der Sonnenkönig wußte geschickt mit Zuckerbrot und Peitsche
die 68er Bewegung zu domestizieren. Aber an Vielfalt und Differenzierung fehlte
es der Bewegung hierzulande keineswegs. Ein nicht unwesentlicher Teil entstammte
dissidenten KPÖ-Milieus. Um Robert Schindel versammelten sich regelmäßig im Cafe
Hawelka die Kinder der KPÖ-Emigration, zu denen sich der deutsche
Wehrdienstverweigerer Günter Maschke gesellte. Ebenfalls aus der KPÖ stammte die
„Freie Jugend Österreichs“, die mehr einen reformkommunistischen Kurs
einzuschlagen versuchte. Gewissermaßen aus dem Nirgendwo stammte die Gruppe um
Genner, Stelzhammer und einem charismatischen Führer aus Frankreich „Rene“, die
als „Heim-Spartakus“ Furore machte. Der Name ergab sich aus der durchaus
wirkungsvollen Propagandatätigkeit, die diese Gruppe gegen skandalöse Zustände
in Erziehungsheimen entfachte. Diese sehr informell organisierte Gruppe
transformierte sich ab 1972 in die Kooperative Longo Mai und verließ fast
geschlossen Österreich Richtung Frankreich und der Schweiz. Otto Mühl, der
freilich schon damals in der Linken den Ruf hatte, autoritär und faschistoid zu
sein, begann in seiner Wohnung im 2. Bezirk mit seinen als Aktions-Analysen
bezeichneten Sexualakten auf Kommando. Einfluß hatte auch die aktive Wiener
Aktionistenszene, die dem kurzlebigen SÖS die „Uniferkelei“ bescherte. Eine
wichtige Rolle spielte auch der „Verband Sozialistischer Mittelschüler“ (VSM),
der im Gegensatz zur Studentenorganisation der SPÖ in dauerndem Clinch mit der
Parteiführung lag. Zu nennen ist weiters die Literaturgruppe um die Zeitschrift
„Wespennest“ und auch im linkskatholischen Milieu gärte es. Zusammengefaßt: Auch
in Österreich zeigte sich die 68er Bewegung in ihrer ganzen Bandbreite, von
politischen, künstlerischen, aktionistischen, alternativen bis zu kulturellen
Momenten, mit zahllosen personellen Überschneidungen, Kontakten und
Querverbindungen.
Die TeilnehmerInnenzahlen an den Demonstrationen schwankten
zwischen 500 und 5000, öfters gab es Gerangel entweder mit der Polizei,
hysterischen SPÖ Ordnern oder dem RFS, der damals eine beachtliche Stärke hatte.
Es fehlte freilich ein wesentliches, herausragendes Ereignis, das die Bewegung
inhaltlich und organisatorisch strukturiert hätte. Daraus darf jedoch nicht
geschlossen werden, 68 hätte es in Österreich nicht gegeben oder die Szene sei
wesentlich schwächer als etwa in München oder Hamburg gewesen.
Die Arena-Bewegung
Es gab mit einigen Jahren Verspätung eine genuine 68er Bewegung
in Wien, die alle Zeichen einer fröhlichen Vermischung der inzwischen getrennt
marschierenden Milieus zeigte. Wie bei allen realen politischen Ereignissen, gab
es zwar auslösende Aktionen, doch die tatsächlichen Ereignisse hatte niemand
geplant, geschweige denn, vorausgesehen. Die „Arena“ war ein riesiges Gelände.
Erbaut 1915 bis 1926 diente sie jahrzehntelang als Schlachthof. 1976, längere
Zeit nicht mehr im Betrieb, sollte sie abgerissen werden. Da es sich um
ästhetisch einmalige Ziegelbauten handelte, setzte sich eine Gruppe von
ArchitektInnen gegen die geplante Schleifung ein. Aus einem Solidaritätskonzert
entwickelte sich rasch eine bedeutende Bewegung, das Areal wurde am 27. Juni
1976 besetzt, über 70.000 Unterschriften für die autonome Nutzung gesammelt. Was
machte damals 68 wieder so lebendig? Einerseits verschmolzen die
unterschiedlichsten politischen, kulturellen und sozialen Milieus nicht nur in
proklamierter Solidarität, sondern auch im praktischen Gebrauch des Geländes.
Andererseits – und das ist für mich der entscheidende Punkt – konnte und wollte
niemand sagen, was denn die „Arena“ eigentlich bedeutete. Eine Möglichkeit,
jenseits von kommerziellen Bedingungen Kunst, Kultur und Musik zu machen, einen
Platz für die verschiedensten Versammlungen, ein Stützpunkt diverser Bewegungen,
ein wenig „polizeifreier“ Raum, ein Ort für ungezwungene Kommunikation, das
alles, und doch irgendwie noch mehr? Womit identifizierten sich eigentlich die
Besetzer und Besucher, die zahllosen sich eifrig solidarisierenden Prominenten?
Antworten gab es viele, Peter Brückner hielt ergriffen eine Rede, die
maoistischen und trotzkistischen Organisationen tüftelten ihre Strategien für
die Verhandlungen mit der Gemeinde Wien aus, andere waren einfach dort und
fühlten sich wohl. Es gab eine Arena-Zeitung und ein Arena-Lied – „Wir bleim,
wir gengan nima furt“, ein von den BesetzerInnen konzipiertes Arena-Theaterstück,
– doch die eigentümliche Transzendenz des Projekts „Arena“ blieb unfaßlich. (Am
11. Oktober ließ die Gemeinde Wien das Gelände bis auf einen kleinen Teil, den
es heute noch gibt, räumen und in Folge abreißen.) […]
(Reitter,
http://www.unet.univie.ac.at/~a9709070/grundrisse04/4_68erBewegungTeil2.htm)
4. Aufgabe
Wenn Sie alle drei Artikel gelesen
haben, versuchen Sie in Kleingruppen die 68er Bewegung auf großen Plakaten
bildlich darzustellen. Suchen Sie oder erfinden Sie Symbole, setzen Sie bewusst
Farben ein und verwenden Sie Bilder, Grafiken aus verschiedenen Zeitschriften.
Stellen Sie nachher Ihr Plakat in der Gruppe vor.
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