2.2. „Eine Notebook-Klasse sein ...“ - Wir ziehen Bilanz
Wie unter Punkt 2.1. zu zeigen
versucht wurde, eröffnet der Umgang mit dem eigenen Laptop den Lernenden neue
Möglichkeiten auch im Unterrichtsfach Deutsch,
Ob die Praxis noch immer hält, was
die Theorie versprach, wollten wir, das sind Hermann Wilhelmer und Eva-Maria
Rastner, im Frühjahr 2003 von jenen wissen, die bis dahin bereits seit ungefähr
acht Monaten in verschiedenen Unterrichtsfächern, vor allem aber auch in Deutsch,
mit dem Notebook gearbeitet hatten: den Schülerinnen der 2 BHW der HLW
Klagenfurt.
Dabei war es unser
erklärtes Ziel, die Ergebnisse ihres Diskussionsprozesses so authentisch wie nur
irgendwie möglich in die vorliegende Arbeit einzubinden (siehe dazu Punkt
2.2.3).
2.2.1. Exkurs: Aufregendes, Anregendes und
Wissenswertes zum Thema „Notebook-Klassen“
„Ich bin dagegen, mit Computern zu lehren“, verkündete
2001 der amerikanische Computerkritiker Clifford Stoll in Deutschland und ortet
in seinem Buch „LogOut“ eine „Liebesaffäre mit Maschinen, denen wir die Lösung
unserer Probleme anvertrauen“. Schüler brauchten nicht noch mehr Informationen
aus dem Internet, sondern bessere LehrerInnen, die bei ihnen Neugier auf die
Welt wecken, und die Vernetzung im Hirn, nicht im/mit dem WWW. Daher bezeichnet
Stoll die Verkabelung der Schulen als „teure Lösung eines nicht existierenden
Problems.“8
In der selben Ausgabe dieser populären Zeitschrift fordert Ulrich Eicke für
Deutschland die „Schulen weg vom Netz“, wobei sein Argument Nummer eins die
Frage ist: „Welchem souverän den Computer für seine Zwecke nutzenden
Sachbearbeiter oder Handwerksmeister, ja selbst welchem Programmierer hat es
geschadet, dass er ohne PC-Schulunterricht aufwachsen musste?“ (Eicke 2001,
S.65)
Während vor drei Jahren solcherlei Argumente noch publikumswirksam in der
Öffentlichkeit und den Schulen diskutiert wurden – die Thesen von Stoll und
Eicke dienten dem Verfasser dieser Zeilen z. B. als schriftliches Maturathema
Deutsch in einer Notebook-Klasse an der HLW Klagenfurt –, sehen wir uns heute
angesichts von e-Government, e-Learning
und IT-Boom mit gesellschaftlichen und pädagogischen Veränderungen konfrontiert,
denen sich eine zukunftsorientierte Schule und ein moderner Unterricht stellen
muss. Denn die aktuellen Daten sprechen für sich: Fessel+Gfk stellt in einer
neuen Studie dar, dass 21 Prozent der österreichischen Mittel- und Großbetriebe
ihren Angestellten 2004 einen mobilen e-mail-Zugang ermöglichen wollen, damit
sie ständig mit dem Intranet ihres Unternehmens verbunden sind und ihren Kunden
via PDA und Notebook relevante Daten zur Verfügung stellen können. (Vgl.
Grohmann 2004a) Aufgrund des rapiden Preisverfalls und des technologischen
Standards der Notebooks wird das Mobile Business nun auch für Kleinbetriebe
interessant, schreibt der SAP Manager Robert Leitner (2004, S. 11). Die deutsche
Studie von TechConsult Kassel, die sich auf Daten von 800 Unternehmen stützt,
zeigt, dass bereits 12 Prozent der Mitarbeiter mehr als ein Fünftel ihrer
Arbeitszeit mobil absolvieren. Berlecon Research Berlin prognostiziert, dass bis
2006 alle großen Betriebe und bis 2009 rund die Hälfte der Kleinbetriebe ihren
Mitarbeitern den mobilen Zugriff auf das Firmen-Intranet ermöglichen werden, um
die Kundenbetreuung und die betriebliche Organisation zu optimieren. (Vgl.
Grohmann 2004b)
Angesichts dieser Faktenlage wäre es
gerade für berufsbildende Schulen wie die HLW im höchsten Maße fahrlässig, die
Entwicklung des e-Learnings zu ignorieren und die uns anvertrauten
SchülerInnen nicht u. a. auf e-Business vorzubereiten. E-Learning
meint hier einen Prozess, der durch digitale Medien (z. B. Notebooks)
gesteuertes Lernen und Wissensaneignung ermöglicht. Innerbetriebliche Fort- und
Weiterbildung sowie die Fortbildung bzw. Qualitätssicherung von Vertragsfirmen
laufen zum Teil bereits heute über e-Learning. Diese Form der
Qualitätssicherung ist u. a. bei der weltweit agierenden PC Firma Apple
verbindlich: Wenn ein Händler nicht mitmacht, verliert er die Lizenz als Apple
Partner.
„Aus heutiger Sicht ist das Lernen mit Notebooks der Ansatz für die
Entwicklung des Lehrens und Lernens, der einem solchen Szenario am ehesten
entspricht“, meint Michael Töpel (2002b, S. 3), der Sprecher des
Bundesarbeitskreises Lernen mit Notebooks in Deutschland.
Das ist die didaktische Herausforderung, vor der wir (Deutsch)LehrerInnen
derzeit stehen, ob es uns passt oder nicht. Das ist eine Herausforderung, vor
der Universitäten (mit ihren Germanistik-Instituten!) und andere Einrichtungen
der LehrerInnen-Ausbildung stehen. Von StudentInnen des Schulpraktikums Deutsch
an der HLW Klagenfurt erwarte ich den problemlosen Umgang mit ihren Notebooks im
Alltag, mit dem Internet, zumindest Erfahrungen mit dem Web-based-Learning im
Fachstudium Deutsche Philologie, einiges an didaktischer Vorbereitung für den
Unterricht in Notebook-Klassen sowie die Bereitschaft, mit Freude und Engagement
in dieses Feld einzusteigen.
Keinesfalls jedoch sei hier der
Eindruck erweckt, dass e-Learning mittels Notebooks und Schul- bzw.
Homenetzwerken der Weisheit letzter Schluss wäre. Wir gehen davon aus, dass an
einer modernen Schule, allerdings didaktisch sorgfältig begründet, möglichst
viele Formen des Lernens gelebt werden sollen – wir bezeichnen dies als
Blended learning9–,
wobei das Notebook der digitale Learners' Assistant ist. Der/Die Lehrerin
entwickelt sich vom Wissensvermittler zum Coach der Lernenden (Spiel/Popper
2003, S. 84).
Die neuen LehrerInnenrollen sind: ModeratorIn in Lernprozessen, GestalterIn von
Lernarrangements und vor allem LernberaterIn (Töpel 2002a, S. 46). Sie/Er ist
selbst permanent Lernende/r in dem lernenden System Schule – ein pädagogischer
Gemeinplatz, der allerdings in einer Notebook-Klasse vom Lippenbekenntnis zur
erlebten und gelebten Anforderung, für manche KollegInnen zur Zumutung wird. „Fast
90% der Lehrer/innen beklagen, dass der Vorbereitungsaufwand und der
tatsächliche Aufwand innerhalb der Unterrichtsstunde durch das Notebook deutlich
höher liegt als bei bisher praktizierten Unterrichtsformen.“ (Kysela-Schiemer
2002b, S. 84) Einen ähnlichen Befund enthält der aktuellste Evaluationsbericht
von Spiel/Popper (2003, S. 79 ff.) mit sehr brauchbaren „Handlungsanweisungen
zum Unterricht in Notebook-Klassen“, sofern man sich nicht an diesem und manch
anderem autoritären Diskurs von professoralen Mitgliedern der „Reformkommission“
im Bildungsministerium stößt. Mit zunehmender Routine beim
Informationsmanagement und im Handling des technischen Umfeldes übernehmen die
SchülerInnen immer mehr Verantwortung für den Unterricht, und die LehrerIn wird
Teil des lernenden Teams. (Vgl. Spiel/Popper 2003, S. 84) Schülerinnen gewinnen
so die im Schulalltag geankerte Überzeugung, auf der Basis eigener Fähigkeiten
vieles bewirken zu können, und diese Überzeugung ist in Notebook-Klassen höher
als in Vergleichsklassen. (Vgl. Spiel/Popper 2003, S. 37)
Der Schulversuchsplan nach §7 des SchOGs „eLearning in Notebook-Klassen“
(Zahl 16.700/172-II/8/02) für das Schuljahr 2003/04 dokumentiert den zügigen
Ausbau von Notebook-Klassen an österreichischen Oberstufen:
Für das Schuljahr 2003/04 ist an 122 Oberstufenstandorten von
allgemeinbildenden Schulen bis zu den Berufsschulen mindestens eine
Notebook-Klasse eingerichtet. 98 Schulstandorte beginnen in diesem Schuljahr mit
mindestens einer Notebook-Klasse. In Summe werden ab Herbst 2003 378 Klassen mit
ca. 8300 Schülern als Notebook-Klassen geführt. Neu beginnen 189 Klassen an 98
Standorten mit ca. 4000 Schülern.“10
An der HLW und Modeschule Klagenfurt (900 Schülerinnen, 120 Lehrerinnen, 35
Klassen) haben wir Erfahrungen mit Notebook-Klassen seit dem Schuljahr 2001/02.
Technische Ressourcen (Schulserver, Netzwerk mit ca. 200 Desktops, Internet
Standleitung) und personelle Ressourcen (drei Lehrer, die sich zu
IT-Spezialisten entwickelt haben; etwa die Hälfte des Lehrerkollegiums von 120
Kolleginnen mit sehr guten oder guten PC-Kenntnissen) sind das Rückgrad dieser
Entwicklung, und natürlich Eltern, die bereit sind, für ihre Töchter und Söhne
die Notebooks zu finanzieren. Dazu kommen einige LehrerInnen, die bereit sind,
Tausende Euro für Hardware, Software und die Errichtung einer digitalen
Bibliothek (vgl. www.digitale-bibliothek.de)
– ein Muss für Deutsch-LehrerInnen in Notebook-Klassen – privat aufzubringen, da
die Firma Österreich bzw. deren Abteilung „Bildungsministerium“ hier derzeit
sehr wenig anzubieten hat.
Aktuelle Problemfelder, die sich
an dem genannten Schulstandort für die Entwicklung von Notebook-Klassen als
hinderlich erweisen:
- Hardware und Softwareprobleme mit dem Schulserver aufgrund
akuter Geldknappheit.
- Probleme im Support der Notebook-Klassen, da die
IT-Fachleute als unterrichtende Lehrer zusätzlich das Schulnetzwerk warten und
entwickeln müssen, während professionell geführte Firmen in dieser Größe
mindestens drei Fachleute beschäftigen, die sich ausschließlich dem Netzwerk
und der PC Wartung widmen.
- Vorbehalte bei einigen Kolleginnen betreffen – abgesehen von didaktischen und
pädagogischen Einwänden bzw. Befürchtungen – die sehr hohe Arbeitsbelastung der
LehrerInnen in Notebook-Klassen und ihren hohen finanziellen Einsatz, um sich zu
Hause und mobil einen „digitalen Arbeitsplatz“ zu schaffen. Das wird von der
vorgesetzten „Dienstbehörde" nicht einmal ignoriert. Daher muss das
LehrerInnenteam einer Notebook-Klasse gesondert formiert werden, was
zusätzlichen organisatorischen Aufwand für die Administration der Schule
bedeutet.
- Personalentwicklung: Da der Direktor keine Personalhoheit hat, beschränkt
sich Personalentwicklung auf ein freiwilliges Fortbildungsangebot, das vom PI
Kärnten tatkräftig (als SCHILF und landesweit) unterstützt wird.
- Die Arbeitsweise in Notebook-Klassen erfordert mittelfristig die Auflösung
des traditionellen Unterrichts im 50 Minuten Rhythmus hin zu
fächerübergreifendem Projektunterricht und selbstgesteuertem Lernen. In dieser
schulorganisatorischen Frage ist für uns LehrerInnen kein Reformeifer seitens
der Schulaufsicht und des Ministeriums erkennbar.
Grundsätzlich wird empfohlen, sich vom regulären Unterrichtskonzept zu lösen
und neue Konzepte zu entwickeln und zu erproben (bzw. solche, die sich bereits
in Notebook-Klassen bewährt haben, zu übernehmen). Das bedeutet jedoch nicht,
dass der Unterricht gänzlich auf e-Learning umgestellt werden soll. Es ist
durchaus anzuraten, gezielt zwischen e-Learning Phasen und Phasen des
klassischen Unterrichts zu wechseln. Dadurch lernen die Schülerinnen auch Vor-
und Nachteile der jeweiligen Methode bezogen auf verschiedene Lernbereiche zu
erkennen und diese dann selbst gezielt einzusetzen. (Spiel/Popper 2003, S.80)
Hinsichtlich der Schlüsselkompetenzen unserer Notebook-Schülerinnen an der
HLW Klagenfurt werden wir in unseren weiteren Ausführungen anhand des uns
vorliegenden Datenmaterials die Untersuchungsergebnisse der Studie von Spiel/Popper
2003 Punkt für Punkt bestätigen:
Notebook-SchülerInnen:
- sind eher in der Lage, selbstständig eine Lösung zu erarbeiten,
- können eine Organisationsaufgabe (Strukturierung, Zeitplanung,
Informationssuche und -Weitergabe) besser lösen – d. h., sie können die gegebene
Information besser verarbeiten,
- nennen mehr relevante Kriterien für Teamarbeit und
- weisen eine höhere Selbstwirksamkeit auf (sind überzeugt
von den eigenen Fähigkeiten),
- weisen jedoch keine höhere Selbstorganisation und keine
höhere Lernmotivation als Schülerinnen aus regulären Schulklassen auf.
Notebook-SchülerInnen:
- erbringen keine schlechteren Ergebnisse beim Konzentrationstest,
- zeigen im Vergleich mit anderen SchülerInnen keine höhere
Nutzungsdauer des Computers zuhause und
- haben keine schlechteren Noten als andere SchülerInnen.
Somit zeigen die Befunde, dass ein
Großteil der Ziele hinsichtlich Schlüsselqualifikationen bestätigt werden und
sämtliche Befürchtungen widerlegt werden konnten. (Spiel/Popper 2003, S.50 f.)
Bei der Bewertung der Aufgabenstellungen für die
evaluierten Notebook-Klassen an der HAK, HTL und dem BORG kommt die Studie zu
einer für die HLW erfreulichen Beurteilung: „HLW-Schülerlnnen liefern die besten
Ergebnisse bei allen Produkten.“ (Spiel/Popper 2003, S.29)
Grundsätzlich gibt es für den Aufbau
und die Entwicklung einer Notebook-Klasse an der Schule zwei Möglichkeiten:
- Die Aufnahmewerber melden sich vor der Einschreibung
bereits für eine Notebook- oder IT-Klasse an, wobei sie und deren Eltern
genaue Informationen über Kosten, Organisation und Arbeitsweise erhalten. Im
ersten Jahrgang ist genügend Zeit vorhanden, inhaltlich und organisatorisch
die Umwandlung der Regelklasse in eine Notebook-Klasse vorzubereiten.
- Im ersten Jahrgang entscheiden sich SchülerInnen und deren
Eltern gemeinsam mit den unterrichtenden LehrerInnen, ab dem zweiten (oder
dritten) Jahrgang die Klasse als Notebook-Klasse zu führen. Bei diesem Modell
verkürzt sich die Vorbereitungszeit um ein Semester.
Die Entwicklung unserer 2BHW Klasse, nunmehr der 3BHW, Klasse
(Stand: Februar 2004), erfolgte nach dem zweiten Modell. Im Schuljahr 2001/02,
also im ersten Jahrgang (1BHW), fiel auf Wunsch der SchülerInnen und deren
Eltern die Entscheidung, die Klasse ab dem zweiten Jahrgang als Notebook-Klasse
zu führen. Bei dieser Entscheidungsfindung wurde die Klasse von mir als
Klassenvorstand und Deutschlehrer und von ihrem Mathematiklehrer, Mag. Stocker,
der gleichzeitig einer unserer IT-Experten ist, tatkräftig unterstützt:
Es wurden mehrere Klassen-Elternabende abgehalten.
- Eltern und beteiligte Lehrer tauschten regelmäßig Informationen über
Hardware Erfordernisse und günstige Angebote aus. Als entscheidende
Drehscheibe der Kommunikation erwies sich dabei der Klassenvorstand über
persönliche Kontaktaufnahmen und Elternbriefe.
- Nach der Grundsatzentscheidung für die Notebook-Klasse (April 2002) erfolgte
mit Hilfe unseres IT-Experten die Entscheidung für den Ankauf eines bestimmten
Notebookmodells für die ganze Klasse im Rahmen einer Schulaktion dieser Firma:
Den Eltern und Schülerinnen waren verschiedene Modelle unterschiedlicher Firmen
im zuvor vereinbarten preislichen Rahmen zwischen € 1.500,- und € 2,000,-
vorgestellt worden, wobei auf Testergebnisse von Fachzeitschriften, auf unsere
eigenen Erfahrungen an der Schule (Standfestigkeit, Qualität und Service) und
auf ein optimales Preis-Leistungsverhältnis geachtet worden war. Danach wurden
Angebote von fünf Firmen für den Ankauf von 25 Stück des Notebooks eingeholt,
wobei in diesem Angebot auch die Notebook-Tasche, eine Notebook-Maus, die
Funk-Lan-Karte und – besonders wichtig – drei Jahre Pick-up Service inkludiert
sein mussten. Die beiden Lehrer und einige Eltern führten persönlich
Verhandlungen mit Firmen, um die Preise zu optimieren. Die Entscheidung fiel
Anfang Oktober 2002, die Klasse befand sich nun im zweiten Jahrgang (2BHW), und
die Schülerinnen erhielten ihre Geräte zwei Wochen später. Auf Wunsch einiger
Eltern, die das Notebook nicht bar bezahlen konnten, wurde mit einem
Geldinstitut ein Leasing-Übereinkommen getroffen. Die Klasse erhielt dafür von
diesem Geldinstitut einen Drucker, die SchülerInnen organisierten sich einen
Scanner, mit Geldern aus dem Sparbuch der Klasse wurde die Funkstation für den
Funk-Lan angeschafft, und die Schule übernahm es, für einen Beamer zu sorgen –
was aufgrund unseres chronischen Geldmangels zu einer Geschichte der
Peinlichkeiten gegenüber der Klasse und den Eltern wurde: Die Klasse erhielt
erst ein Jahr später (!!), also in diesem Schuljahr, ihren eigenen Beamer. Zuvor
mussten Beamer aus Computerräumen „ausgeliehen“ werden, was wiederholt zu
Konflikten führte.
- Nach Auslieferung der Geräte im Oktober 2002 lernten die SchülerInnen unter
Anleitung von Koll. Mag. Stocker die Geräte aufzusetzen, zu warten und ins
Schulnetz zu gehen. Im Deutschunterricht starteten wir, gemeinsam mit zwei
StudentInnen des Schulpraktikums der Uni Klagenfurt, sogleich ein
fächerübergreifendes Projekt und produzierten ein 30seitiges, recht
professionell gestaltetes Magazin der 2BHW namens „Wake up“, das Ende des
Wintersemesters (Jänner 2003) an der Schule und an der Uni vorgestellt wurde.
Dieser im Team hart erarbeitete Erfolg und noch weitere Erfolge in
Schulprojekten stärkte das Bewusstsein der SchülerInnen (und auch meines), dass
die 2BHW, nun die 3BHW, als Notebook-Klasse eine besondere Klasse ist. Nina
Skala, eine sehr engagierte Schülerin meiner Klasse und inzwischen „unsere“
PC-Expertin, präsentierte das erfolgreiche Bachmann Projekt 2003 der HLW
Klagenfurt im Rahmen der Abschlussveranstaltung des Kulturservice im
Bildungsministerium. SchülerInnen meiner Klasse entwickelten eine
Power-Point-Präsentation unserer Schule und präsentieren die HLW Klagenfurt
laufend bei Informationsveranstaltungen in ganz Kärnten. Noch eine Anmerkung:
Ohne die notebookgestützten Kompetenzen besonders der Jahrgangssprecherin Birgit
Kogler und der „Verwaltungschefin“ Verena Petzner hätte die Klasse nicht das
professionelle Niveau an Kommunikations-, Informations- und
Organisationsmanagement, das sie derzeit hat – eine gewaltige Unterstützung
besonders für den Klassenvorstand, aber auch für das Lehrerinnenteam der 3BHW,
und ein großer Schritt in der Teamentwicklung im Sinne der Selbstorganisation
und Übernahme von Verantwortung durch die Teammitglieder.
- Gleichzeitig mit dem Start der 2BHW als Notebook-Klasse im Herbst 2002
begann die fortlaufende, schulinterne LehrerInnenfortbildung (SCHILF) der
LehrerInnenteams aller Notebook-Klassen. LehrerInnen nehmen auch an
einschlägigen überregionalen und österreichweiten Seminaren teil.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Errichtung
und Entwicklung einer Notebook-Klasse eine spannende Herausforderung ist, die
ich auf keinen Fall missen möchte. Offene Kommunikation und die permanente
Einbindung aller Beteiligten (SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen) sind gerade in
der Phase der Planung und Implementierung einer Notebook-Klasse entscheidend für
den Erfolg. Dem Klassenvorstand fällt dabei die Aufgabe des Prozessmanagements
zu, der er sich nicht entziehen darf und die er möglichst professionell mit viel
Freude ausfüllen sollte. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Hardware: Alle
SchülerInnen sollten die gleichen Geräte haben, weil dadurch Wartung und Service
sehr erleichtert werden. Funk-Lan ist aus praktischen und didaktischen Gründen
(z. B. Mobilität bei der Gruppenarbeit) einer Verkabelung vorzuziehen, moderne
Notebooks haben dieses Feature ohnehin on board. Wir können die Relevanz der
meisten Handlungsempfehlungen aus dem Maßnahmenkatalog von Spiel/Popper 2003 (S.
68-94) in und durch unsere Praxiserfahrungen bestätigen.
In Vorbereitung dieses Papiers führte ich im Dezember
2003 in der 3BHW (derzeit 24 Schülerinnen) eine Befragung zu den Themen
Unterricht, Hardware und Software durch unter dem Motto: „Ein Jahr danach“.
Exakt waren es 14 Monate nach Start der Klasse als Notebook-Klasse. Hier einige
Ergebnisse:
Einsatz des Notebooks im Unterricht:
laufend: Deutsch, Physik, Geschichte, Betriebs-/Volkswirtschaftslehre,
Medieninformatik
häufig: Biologie, Mathematik, Religion
fallweise: Englisch, Italienisch, Wirtschaftsgeographie
selten: Rechnungswesen, Musik, Betriebs- und Lehrküche (Kochen, Service)
gar nicht: Französisch, Textverarbeitung, Leibesübungen
Interessant ist ein Hinweis von Nina, der unsere aktuelle Diskussion des Notebook-Einsatzes in den
Fächern Rechnungswesen und Mathematik darstellt:
Ich hoffe, dass die Lehrer uns weiterhin selbst entscheiden
lassen, ob wir lieber auf dem Notebook oder im Heft mitschreiben. In Fächern, in
denen nur geschrieben wird, ist das kein Problem, denn Schreiben ist für viele
sicher mit dem Notebook leichter. Aber in Fächern wie z. B. in Mathematik oder
in Rechnungswesen bin ich dafür, dass das Notebook nur zum Arbeiten (Rechnen,
MatheAss usw.) verwendet wird, weil ich und viele andere nur mehr mit dem
Abschreiben und Abtippen von der Tafel beschäftigt sind und zum Aufpassen und
Mitarbeiten in dem Sinn gar keine Zeit mehr haben werden.
Lenkt dich das Notebook im Unterricht ab?
Diese Frage beantworten alle SchülerInnen bis auf zwei rundweg mit Nein, was
mich ziemlich überrascht. Offenbar ist das Multi-Tasking bei meinen SchülerInnen
besser ausgeprägt als bei mir. Zwei SchülerInnen schreiben, dass sie das Surfen
im Net „zum Teil“ ablenkt. Nina kommentiert: „Normalerweise nicht. Warum? Wenn
ich es nicht brauche, klappe ich es einfach zu, außer ich muss noch was
Wichtiges fertig machen.“ Ähnlich argumentiert Evelyn und Steffi ergänzt: „Weil
ich mich nicht vom Internet ablenken lasse. Weil es mir wichtiger ist
aufzupassen. Chatten kann ich zuhause auch.“ Verena P. räumt ein: „Am Anfang war
es schon eine große Umstellung, aber man gewöhnt sich daran.“ Dies scheint
überhaupt der Tenor in der Klasse zu sein, denn das Notebook ist Teil des
Schulalltags geworden. Viele SchülerInnen, auch die im Herbst neu dazu
gekommenen, schreiben, sie könnten sich die Schule ohne Notebook gar nicht mehr
vorstellen: „Es ist sehr praktisch, weil man immer alle Unterlagen hat.“
(Alexandra)
Weitere interessante Ergebnisse:
- Im Rahmen des Pick-up Garantie-Service wurden bislang acht
Notebooks repariert, wobei sogar in einem Fall das Mainboard, bei weiteren
Geräten der Bildschirm oder die Festplatte ausgetauscht wurden. Das Service
der Firma Acer funktioniert vorbildlich, die Geräte sind innerhalb von drei
Werktagen repariert an der Schule zurück.
- Die meisten SchülerInnen sind mit der Hardware zufrieden,
denn die Geräte werden sehr gefordert. Teilweise heftige Kritik wird am
Schulnetzwerk geübt. Dessen Performance hat sich in letzter Zeit aufgrund der
Hard- und Softwareaufrüstung signifikant gebessert.
- Kritik gibt es für Microsoft – die Schülerbezeichnung lautet „Microschrott".
Das ursprünglich vorinstallierte WindowsXP Home wurde schrittweise durch
WindowsXP Professional ersetzt, was die Stabilität der Software etwas verbessert
hat. Dennoch wird an der Schule bereits laut über einen Systemwechsel (Linux)
nachgedacht, wenn Microsoft das sattsam bekannte Qualitätsproblem mit seiner
Software nicht bald in den Griff bekommt. Weitere Programme, die laufend
Verwendung finden, sind das Office Paket, Encarta, PowerDVD, Winamp, Window
Media Player, ICQ, Kazaa.
- Trotz Norton Anti Virus, Ikarus und Zone Alarm wurden im
Vorjahr neun Notebooks von MSBlast heimgesucht, und zwar über das
Schulnetzwerk. Diese Erfahrungen führten zu einem verstärkten Engagement der
SchülerInnen bei der Wartung und Sicherung ihrer Notebooks.
Das Notebook als Liebesobjekt
„Ich liebe meinen PC!" notiert Katharina, die schreibend mit ihrem Notebook
weite Reisen in ihre Phantasie unternimmt. In selbstverfassten Erzählungen und
Romanen eifert sie ihrem großen Vorbild J.R.Tolkien nach. Als ich einer
Schülerin, die am Ende des letzten Schuljahres in eine andere Schule wechselte,
vorschlug, das Notebook einem Neuzugang zu verkaufen, erntete ich einen
vernichtenden Blick und eine Antwort, die nicht druckreif ist. Das Notebook ist
für die meisten SchülerInnen tatsächlich mehr als bloß ein Arbeitsinstrument. Es
ist eindeutig libidinös besetzt und hat darin das Handy abgelöst, manche haben
für ihr Notebook sogar ein Kosewort. Vor längerer Zeit rief mich eine Schülerin
zu vorgerückter nächtlicher Stunde an und erklärte mit einiger Verzweiflung in
der Stimme: „Mein Läppi ist krank!“ Es dauerte etwas, bis ich begriff, dass sich
ihr Laptop nicht booten ließ. Heuer, im dritten Jahrgang, ist diese
Liebesbeziehung etwas abgekühlt oder für mich nicht mehr so sichtbar/ hörbar.
Manche haben auch einen fixen Freund ...
Weitere persönliche Kommentare der Schülerinnen:
Birgit: „Oft ist der Laptop wirklich ein ‚Schlepptop’, denn an einigen Tagen
haben wir zusätzlich zum Laptop ziemlich viele Mappen, und die Schultasche kommt
auf ein Gewicht von 10 kg!!! – Das finde ich nicht sehr vorteilhaft für das
Kreuz.“
Verena P.: „Ich bin froh, in der Laptopklasse zu sein, obwohl ich zugeben
muss, dass er mich manchmal schon ein bisschen anzipft. Ich kann mir aber auch
keinen Unterricht mehr ohne das Notebook vorstellen.“
Verena R., die am Beginn des Schuljahres 2003/04 neu in die Klasse kam: „Nach
viermonatigem Unterricht mit einem Notebook, abgesehen von einer kurzen
Umstellungsphase, da der Unterricht für mich völlig neu war, kann ich dieser
Unterrichtsmethode meist nur Positives abgewinnen. Es ist ein viel
abwechslungsreicheres und interessanteres Arbeiten im Unterricht. Durch das
Einbeziehen des Internet hat man ein viel größeres Nachschlagewerk als aus den
Schulbüchern. Die kleinen Nachteile wie eine etwas schwerere Schultasche
beeinflussen meine positive Einstellung zu dieser Unterrichtsmethode auf keinen
Fall.“
Victoria ist eine der beiden Kritikerinnen, die nicht nochmals eine
Notebook-Klasse besuchen würden. Ihre Begründung: „Weil es für mich ohne
Notebook weniger Probleme gegeben hat als jetzt. Wobei ich mein Notebook jetzt
nicht mehr eintauschen würde.“
Nina: „Ich denke, in einer Notebook-Klasse zu sein, hat sicher Vor- und
Nachteile. Ich könnte mir es aber trotzdem nicht mehr vorstellen, ganz ohne
Notebook zu arbeiten.“
„PC ist Zukunft“, schreibt Jeannine lapidar als
Begründung, warum sie, hätte sie nochmals die Wahl, wieder in eine
Notebook-Klasse gehen würde. Tatsächlich hat diese Zukunft schon längst begonnen,
und sie hat Argumentationslinien wie jene von Clifford Stoll in die Regale
pädagogischer Geschichtsschreibung abgelegt bzw. auf deren Datenträgern
abgespeichert. Uns an der Schule geht es heute darum, mit unseren Schülerinnen
diese digitale Zukunft mit Freude und Engagement zu gestalten.
(Rastner / Wilhelmer, 144-185)
8) Zit. nach Saum-Aldehoff (2001, S. 68).
9) Vgl. http://www.blended-elearning.al.
10) Link: http://www.e-lisa.at/notebook-klassen/index.asp.
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