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3. Aufgabe

Wie sieht die Situation in anderen Ländern aus?  Lesen Sie die folgenden zwei Texte durch, und markieren Sie die wichtigsten Aussagen der Texte. Überlegen Sie sich, ob diese Texte mit den obigen ungarischsprachigen Texten im Einklang stehen oder nicht.

Text 1

Kinderreich aus Tradition und Glauben

Von unserem Korrespondenten Norbert Rief
USA. Im Gegensatz zum chronisch kinderarmen Europa wächst die amerikanische Gesellschaft von Jahr zu Jahr.

WASHINGTON. David Laundry ist ein Ausnahmefall in seinem Freundes- und Bekanntenkreis. „Ich falle aus der Norm“, erklärt der 45-Jährige freimütig. Der Grund dafür ist die Größe der Familie Laundry: „Wir haben nur ein Kind“, erzählt der Soziologe. „Da fällt man auf.“  Zwei Kinder pro Familie sind in den Vereinigten Staaten die übliche Zahl. „Damit ist unsere Gesellschaft kinderreich genug, um die Sterbezahlen auszugleichen und sich zu erneuern“, erklärt Ein-Kind-Vater Laundry, Wissenschaftler am angesehenen Guttmacher-Institut in New York. „Wir wachsen sogar, und das wird auch so bleiben.“ Im Gegensatz zu Europa hat die Geburtenrate in den USA nicht ab-, sondern in den vergangenen Jahren langsam aber stetig zugenommen: um fast drei Prozent seit 1995. Im Durchschnitt hat die amerikanische Frau heute 2,2 Kinder. Ein wesentlicher Grund für die hohe Kinderzahl sind die Einwanderer aus Südamerika: Lateinamerikanische Frauen haben im Schnitt 2,7 Kinder, weiße US-Amerikanerinnen immerhin noch 1,86. Auch Tradition spiele bei der Familiengröße eine Rolle, meint Ron Haskins, Vizedirektor des „Center on Children and Families“ in Washington: „Familie hat einen großen Stellenwert in den USA. Zwei Kinder, im besten Fall ein Bub und ein Mädchen, erfüllen die Vorstellung von der Idealfamilie.“ Möglicherweise habe das aber auch praktische Gründe: „Die Geschwister können miteinander spielen, was weniger Belastung für die Eltern bedeutet.“ Einer der grundlegendsten Unterschiede zwischen Europa und den USA spiele wohl auch bei der Familienplanung eine Rolle: „Die Religiosität“, sagt Linda Waite, Soziologie-Professorin in Chicago und einstige Präsidentin der „Population Association of America“. „Die USA sind generell gläubiger als Europa. In den vergangenen Jahren hat sich das sogar noch verstärkt. Und jede Religion unterstützt das Kinderkriegen.“ Zur Evangelisierung passt eine Statistik über Abtreibungen in den USA: Die Zahl ging von 1,36 Millionen im Jahr 1996 auf etwas mehr als 1,2 Millionen im Jahr 2004 zurück. Die Legalisierung der Abtreibung 1973 ist laut Steven Levitt von der Universität Chicago übrigens mit ein Grund, warum die Verbrechensrate stetig gesunken ist. Denn ungewollte Kinder würden eher vernachlässigt und auf die schiefe Bahn geraten.
(Rief, 2006)

Im Kindermuseum Creaviva in der Paul Klee-Sammlung in Bern

(Foto: Majorosi 2006)
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Text 2

Wo es eine Prestigefrage ist, Kinder zu haben

Von unserem Korrespondenten Reinhold Smonig
Frankreich hat bewiesen, dass die Politik doch einen Beitrag zur Gebärfreudigkeit leisten kann

PARIS.   Erst kürzlich hatte Frankreich wieder allen Grund, über die Vitalität seiner Bevölkerung zu jubeln: „Mehr als 800.000 Babys im Jahr 2005.“ Das bedeutet, dass inzwischen jede Französin statistisch im Durchschnitt schon 1,94 Kinder zur Welt bringt. Im Jahr 2000 hatte man noch bei 1,88 gehalten. Damit zählt Frankreich neben Finnland und Malta auch zu jenen EU-Ländern, deren Bevölkerungszuwachs stärker auf den Geburten im Land beruht als auf einem positiven Immigrationssaldo. Seit die französischen Regierungen nach dem Zweiten Weltkrieg systematisch die staatlichen Hebel zur Familienförderung und speziell zur Förderung der kinderreichen Familien in Bewegung gesetzt haben, ist zumindest ein Beweis erbracht worden: Die Politik ist gegenüber dem Rückgang der Geburten nicht unbedingt hilflos. Der Erfolg hat sich in Frankreich mit einem seit 1950 kontinuierlich doppelt so hohen Bevölkerungswachstum wie in Großbritannien und Deutschland eingestellt. Berufstätigkeit und Gebärfreudigkeit schließen einander in Frankreich nicht aus. Das ist zu einem guten Teil auf die Transferleistungen zu Gunsten der Kinder zurückzuführen. Kinderbetreuungseinrichtungen mit Öffnungszeiten, die auf berufstätige Mütter abgestimmt sind, sowie steuerliche Bevorteilung kinderreicher Familien sind aber nicht alles. Eine Mutter, die ihr Baby in der Kinderkrippe abgibt und außer Haus arbeitet, gilt deswegen nicht als „Rabenmutter“. Auch an der Spitze der Gesellschaft gelten Kinder eher als Prestigegewinn. Oder wie es der Bevölkerungsforscher Jean-Claude Chesnais ausdrückt: „Leitende Personen in gehobener Stellung genießen einen deutlichen Vorsprung an Glaubwürdigkeit, wenn sie Kinder haben.“
(Smonig, 2006)

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